Hoher Riffler, ohne Auto
Mit Bus und Bahn auf einen Berg in den Zentralalpen. Für viele bergbegeisterte Zeitgenossen zwar kein Ding des Unmöglichen, aber doch ein abwegiger Gedanke. Und doch liegen viele ansehnliche Dreitausender in optimaler Reichweite der „Öffis“. So auch der Hohe Riffler in den Zillertalern!
Halb zehn Uhr vormittags, Münchner Hauptbahnhof. Die Türen des EC Richtung Innsbruck und Verona schließen sich. Wir sehen das Alpenvorland vorbeiziehen, fahren durch Rosenheim und Kufstein und wechseln schließlich in Jenbach in die brav auf uns wartende Zillertalbahn, eine für Bergsteiger herrlich praktische Schmalspurbahn. Nach einer weiteren Stunde Fahrt ist in Mayrhofen Schluß mit dem Schienenstrang, und wir nutzen die vorgerückte Mittagszeit für eine gepflegte Einkehr im Gasthaus.
Wenig später sitzen wir im Postbus hinauf Richtung Schlegeisspeicher, der ab Mayrhofen noch mehr als 1000 Höhenmeter überwinden muss. Die kurvige Strecke mit Tunnels und Serpentinen macht uns weniger zu schaffen als die Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt. Der Anton aus Tirol ist noch eines der harmloseren Meisterwerke, die uns um die Ohren flirren.
Beim Losgehen an der Dammkrone regnet es und wir hüllen uns erstmal in alles, was der Rucksack an Regensachen hergibt. Der Weg hinauf zur Olpererhütte ist steil, aber abwechslungsreich. Die Sicht lässt allerdings zu wünschen übrig Zwar sehen wir langsam den Schlegeisspeicher in der Tiefe kleiner werden, der „Traumblick“ auf die Hochfeiler-Nordwand wird jedoch leider von tiefhängenden Regenwolken verdeckt. Dementsprechend dankbar sind wir über die fast nagelneue Hütte, die wir rund zwei Stunden nach Aufbruch erreichen. Moderne Architektur und mutige Linien treffen hier auf Schafkoppel und Urlandschaft.
Zum Abendessen unterhalten wir uns noch mit zwei älteren italienischen Herren – beide um die Achtzig und einer von Ihnen Ex-Hüttenwirt der Capanna Margherita auf der Signalkuppe/Monte Rosa. Jedes Jahr, so erzählen sie, gehen sie einen anderen Höhenweg (oder Abschnitte davon) in den Ostalpen. Und dieses Jahr sei eben der Berliner Höhenweg an der Reihe!
Die Nacht wird trotz vieler Lagernachbarn und mehr oder minder intensiver Sägegeräusche erstaunlich angenehm. Am nächsten Morgen dann die Überraschung. Knallewetter! Wir reiben uns die Augen, nehmen schnell etwas zu uns und schauen, dass wir den Tag ausnutzen.
Auf dem Berliner Höhenweg
Wir folgen dem Berliner Höhenweg nach Osten, genießen die Traumsicht und kommen schließlich zu einer Gruppe Berliner, die am Weg arbeiten, Steine klopfen und eifrig Ausbesserungen durchführen. Berlin is jrooos, wa! Und die Zillertaler auch. Bald queren wir die Südwestflanke des Riffler und erklimmen die ersten steileren Abschnitte hinauf zum Südrücken oder „Wesendlekarschneide“, wie er in diesem Bereich auch genannt wird. Hier finden wir uns in einer unwirklichen Umgebung wieder. Unzählige Steinmanderln, wenn man sie denn so nennen kann, stehen herum. Mich erinnern sie eher an Grabsteine…
Es wird zunehmend mühsam, durch das grobe und zerworfene Blockwerk einen gangbaren Weg zu finden, und so entschließt sich Kathi, es auf rund 3000 Metern Höhe gut sein zu lassen. Ich nehme, so gut es bei dem Terrain eben geht, die Füße in die Hand und stehe eine halbe Stunde später am Westrücken des Riffler und noch einmal zehn Minuten später zusammen mit zwei anderen, die vom Spannaglhaus aufgestiegen sind, ganz oben. Um Kathi nicht zu lange warten zu lassen, mache ich nur ein paar Bilder und renne wieder hinab.
Für den Abstieg wählen wir den direkten Weg über Friesenberghaus, wo wir uns noch einen schönen Imbiss in der Augustsonne schmecken lassen. Der weitere Abstieg zurück zur Dammkrone des Schlegeisdamms ist eine einzige Aneinanderreihung schöner Wegabschnitte und Eindrücke. Es wird wärmer und wärmer und wir müssen uns ein wenig sputen, um den Bus zurück nach Mayrhofen zu erwischen. Am Ende schaffen wir es dann mit einem guten Zeitpuffer.
Den Weg mit Bus und Bahn zurück in die bayerische Landeshauptstadt verschlafen und „verlesen“ wir dann größtenteils, gegen zehn Uhr abends sind wir wieder am Hauptbahnhof.
Zum Schluß noch ein paar Gedanken zur umweltfreundlichen Anreise mit den Öffis:
Vorteile:
- Reines Gewissen. Kein zusätzlicher CO²-Ausstoß mit dem Auto, keine Blechverstopfung auf den Alpenstraßen, Zeichen setzen für andere.
- Schlafen und Entspannen während der An- und Abreise. Am Autosteuer sollte man nicht einschlafen, im bequemen Zugsessel ist das durchaus legitim und angenehm.
- Etwas von der Landschaft mitbekommen und Menschen kennenlernen: Anstatt sich auf die graue Autobahn/Bundesstraße und mehr oder minder friedfertige andere Autofahrer zu konzentrieren, kann man sich im Zug zurücklehnen, zum Fenster hinausblicken und sein Gegenüber kennenlernen.
Nachteile:
- Man muss stets die Bus- und Bahnabfahrtszeiten im Kopf behalten. Ein bisschen zu spät an der Haltestelle, und die Connection ist abgefahren. In den Bergen, wo anders als in München nicht alle zehn bis zwanzig Minuten ein Bus kommt, kann das unangenehme Folgen haben…
- Kosten. Eine individuell geplante An- und Abreise mit Bus und Bahn kann ins Geld gehen – für eine „kurze“ Strecke bis 150 km können schnell weit mehr als 50 Euro pro Nase fällig sein, auch wenn man eine BahnCard sein eigen nennt. Vergleicht man allerdings die paar Ausflüge, die man pro Jahr auf diese Art macht, mit den Anschaffungs- und laufenden Kosten eines Autos, stimmt das Verhältnis wieder….
- Zeit. Für Zeitgenossen, die es sehr eilig haben, sind Zug- und Busverbindungen in den Bergen nicht unbedingt die richtige Wahl. Nehmen wir die Route von München zum Schlegeisspeicher: Google Maps berechnet via Kufstein/Autobahn eine Fahrtzeit von rund zwei Stunden, mit der Bahn braucht man ab Hbf je nach Busverbindung Mayrhofen-Schlegeis mindestens eine Stunde länger. Aber wie heißt es so schön: Eile mit Weile, der Weg ist das Ziel….
- Platz. Hat man Pech und nicht reserviert, kann Zugfahren unangenehm und zur Stehpartie werden. Berühmt-berüchtigt sind beispielsweise die knüppelvollen Sonntag-Frühabend-BOBs von Bayrischzell nach München.
Fazit: Für mich persönlich, der ich seit fast zehn Jahren kein Auto mehr habe (und auch nur ungefähr drei Jahre eines besessen habe), sticht der Umweltaspekt alle Nachteile aus. Warum sollte ich ein Auto haben, wenn es eben auch ohne geht?
Technische Daten zum Hohen Riffler (3231 Meter):
Anreise:
EC ab München Richtung Innsbruck/Verona (tagsüber alle zwei Stunden)
Zillertalbahn ab Jenbach bis Mayrhofen (tagsüber alle 30 Minuten)
Postbus Mayrhofen-Schlegeisspeicher (variiert, am besten auf postbus.at abfragen)
Ausgangspunkt: Schlegeisspeicher (1782m)
Stützpunkte: Olpererhütte (2388m); Friesenberghaus (2477m)
Gehzeiten: Schlegeisspeicher-Olpererhütte: 2h, Olpererhütte-Hoher Riffler: 3h, Hoher Riffler-Furtschaglhaus 1,5h-2h; Furtschaglhaus-Schlegeisspeicher 2h