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Bergtouren

Viertausender auf Umwegen

Eigentlich sollte es ja eine Ski- beziehungsweise Splitboardbesteigung des Mont Blanc werden. Warum es dann doch ein anderer Ski-Viertausender wurde, lest ihr im folgenden Beitrag. 

Frühjahr 2009. Lange geplant, will ich mit Gunther den Mont Blanc nun auch einmal mit dem Splitboard auf den Firn rücken. Acht Jahre sind seit der Sommerbesteigung vergangen. Wird sich „der Große“ erneut gnädig zeigen? Unser zeitlicher Spielraum ist sehr begrenzt – nur ein verlängertes Wochenende steht uns zur Verfügung.

Wir reisen über die klassische Route via Bodensee, Zürich, Bern, Genfer See und Martigny an. Zur optimalen Akklimatisation fahren wir noch am Abend mit dem Auto hinauf zum Lac d’Emosson auf knapp über 1900 Meter und bauen dort unser Zelt auf. Hallo Blutkörperchen!

Am nächsten Tag ist das Wetter für eine Eingehtour ganz akzeptabel. Uns gelingt eine kleine Wanderrunde vom Col de Balme zu den Aguillettes des Possettes. Es wölkt ein wenig, doch wir sind zuversichtlich, dass uns die Nordroute von der Plan de l’Aiguille über das Refuge des Grands Mulets zum Gipfel gelingen wird. Am Abend rundet ein Treffen mit Bekannten in einem netten Restaurant in Chamonix den Tag ab. Wir verbringen die Nacht auf einem schönen Campingplatz in der Nähe der Jugendherberge.

Zieländerung!

Am nächsten Morgen folgt jedoch die Ernüchterung. Die Wolken hängen tief. An einen Start ist nicht zu denken – es sei denn, wir wollen mit dem Risiko losgehen, dass es mit dem Gipfel nichts wird. Einen Berg wie den Mont Blanc bei wackeligem Wetter anzugehen ist dann doch nicht so ganz das Wahre. Wir haben keinen einzigen Tag Puffer, müssen also heute zumindest bis zu einer Hütte aufsteigen. Als Eintagesaktion trauen wir uns die ca. 3800 Höhenmeter ab Chamonix dann doch nicht so ganz zu….

Nach kurzem Grübeln und einem kleinen Wetterupdate reift die Entscheidung, das Ziel zu ändern. Der Gran Paradiso soll es nun werden, im Süden ist das Wetter angeblich besser. Immerhin ist er auch ein ansehnlicher Viertausender und durch den Tunnel du Mont Blanc schnell zu erreichen. Zwar ist er nicht ganz so hoch, dafür ist die Aufstiegsroute gletschertechnisch deutlich einfacher.

Mehr Glück im Süden

Bei der Ausfahrt aus dem Tunnel bei Courmayeur bewahrheitet sich die Hoffnung auf schönes Wetter. Knallesonne! Die übliche Nord-Süd-Aufteilung eben, wie man sie vom Alpenhauptkamm auch von anderen Stellen her kennt… Nach knapp zwei Stunden Fahrt kommen wir im Talort Pont/Valsavarenche im Gran Paradiso-Nationalpark an. Ich kenne den Ort, bin ich den Paradiso doch schon zweimal von dieser Seite aus angegangen (einmal habe ich im Winter mit meinem Cousin im Sturm auf 3900 Metern umdrehen müssen, das andere Mal hatte ich mit Felix, ebenfalls im Winter, mehr Erfolg). Pont versprüht den Charme, den ein gefühlt ein Quadratkilometer großer schlammiger Parkplatz mit angrenzendem Restaurant versprühen kann. Auch der obligatorische Wach-Steinbock ist heute wieder unterwegs (Der GP-Nationalpark gehört zu den Steinbockparadiesen in den Alpen, mit allen Nebenwirkungen).

Über eine triefnasse Loipe erreichen wir die steilen unteren Hänge des Hüttenaufstiegs zum Rifugio Vittorio Emanuele II, müssen zwischenzeitlich abschnallen, kommen aber trotzdem mit kompaktem Gepäck ganz gut voran. Ab 2300 Metern schließt sich die Schneedecke wieder. Warm ist es, und so wird bis zur Hütte ganz ordentlich geschwitzt. Die Frühjahrsonne ist dann doch was anderes als die Hochwintersonne! Zum Glück sind auf der Hütte noch zwei Plätze frei, denn wir haben natürlich nicht reserviert..

Im Frühtau….

Am Morgen können wir durch einen Frühstart die italienischen Hüttenkollegen ein wenig abhängen und sind im Nu in das kleine Hochtal, das auf die untersten Gletscherhänge des Paradiso zuführt, eingebogen. Wir lassen es krachen, was das Zeug hergibt, um unsere „Nachsteiger“ nicht zu nahe kommen zu lassen. Schließlich steuern wir auf den Eselsrücken zu, der bereits das Finale des Aufstiegs einläutet. Rechts ragt bald der 4026 Meter hohe „Il Roc“ in den Himmel, ein frecher Felsfinger. Eine letzte Rampe, und wir sehen die Gipfelfelsen des 4061 Meter hohen Berges vor uns in der Morgensonne. Wir sind heute tatsächlich die ersten hier oben! Ein erhebendes Gefühl…

Eine kurze Kraxelei führt vom Skidepot auf 4040m über eine kurze ausgesetzte Stelle hinüber zur Gipfelmadonna. Ein Seil entschärft hier neuerdings den beeindruckenden Tiefblick in die Ostflanke. Wir genießen unser gemeinsames Gipfelglück und kommen ungefähr paralell mit den ersten Nachsteigern wieder am Skidepot an.

Die Abfahrt wird recht ruppig, macht aber durchaus Spaß. Es sind alle Schneearten vorhanden, die man sich vorstellen kann. Sastrugis, windgepresster Betonschnee, Pulverfetzen, Bruchharsch und auch Firn. An der Hütte nehmen wir ein erfrischendes Kühles zu uns und genießen noch ein wenig die Atmosphäre.

Um den Schnee optimal auszunutzen, steigen wir noch einmal kurz bis unter den NW-Rücken des Ciarforon auf und surfen dann in einem weiten Südwestbogen über traumhaften Frühjahresfirn hinab ins Tal. Über letzte Schneereste skaten wir schließlich mehr schlecht als recht zurück zum Auto in Pont.

Technische Daten:

Campingplatz Chamonix: chamonixcampinglesarolles.fr

Route: Pont (1986 Meter) – Rifugio Vittorio Emanuele II (2732  Meter) – Gran Paradiso (4061 Meter)- Pont.

Zeit: Pont-Hütte: ca. 2h; Hütte-Gipfel: je nach Akklimatisation 2,5h-4,5h

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