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By fair means Laufen

Ultramarathon auf die Benediktenwand

Heute ging es, recht spontan, mit den Laufschuhen von zu Hause aus auf die Benediktenwand. Am Ende wurde der längste Lauf draus, den ich je gelaufen bin – ein Ultramarathon by fair means.

Das Wetter ist nicht gerade vielversprechend. Wolken drücken durch’s Tölzer Land, immerhin regnet es nicht, noch nicht. Ich habe meinen Laufrucksack ordentlich gefüllt, schließlich habe ich keine Ahnung, was mich heute genau erwarten wird. Auf die 1800 Meter hohe Benediktenwand soll es gehen, was dann passiert – man wird sehen. Immerhin hab ich auf Google Maps ausklamüsert, dass es bis zum Gipfel exakt 30 km sein müssen.

Eine Banane, drei Powergels, 400 g Cranberries, mehrere Müsliriegel und drei Liter Gesöff wandern zusammen mit einer kompletten Montur Wechselklamotten in den Innenraum des Rucksacks. Immerhin liegen mit der Tutzinger Hütte und der Hinteren Längentalalm zwei „Verpflegungspunkte“ auf der grob angepeilten Strecke, ich kann mich also auf was Warmes unterwegs freuen.

Der GPS-Empfang ist da, und schon kann es gegen viertel nach sieben an diesem Sonntagmorgen losgehen. Ich folge kurz der alten Tölzer Straße, biege links ab Richtung Rothenrainer Moor, laufe durch Fischbachmühle und an Vogelsang vorbei, steuere den Buchberglift an und mache nach Reit mit Blick auf den Blomberg den ersten 10er voll. Zeit für eine Bananenpause…

Zügig geht’s an der Blombergbahn-Talstation vorbei den Fahrweg hinauf Richtung Zwiesel. Ein paar Wanderer sind unterwegs, die einzigen Menschen, die ich (bis auf eine Bäuerin) zwischen Königsdorf und Tutzinger Hütte treffen werde. Den Zwieselgipfel lasse ich heute rechts liegen und laufe an der Südseite gleich wieder hinab.

Doch was ist das? Meine Oberschenkelmuskulatur verhärtet und schmerzt recht ordentlich. Zefix! Ich mache mir ein bisschen Sorgen, wie das heute weitergehen soll, denn mehr als 40 Kilometer werden es auf jeden Fall…

Schließlich biege ich rechts Richtung Tutzinger Hütte ab und folge dem Fahrweg, den ich das letzte Mal 2009 auf einer zügigen Wanderung von Scharnitz nach Königsdorf entlanggehatscht bin. Bald komme ich, wie vorhergesehen, zu recht schlammigen, ausgewaschenen und nassen Abschnitten und patsche hinüber zum Fahrweg Richtung Melcherstefflalm. Die Schuhe sind jetzt jedenfalls ordentlich gewässert! Kühe säumen den Weg, zwei Pferde grüßen von der Koppel….Almidylle wie aus dem Bilderbuch. Leider bockt das GPS ein wenig, aber was soll’s. Über die Sattelalm geht es hinüber an die Westflanke des Moosenbergkopfes, ein kleiner Abstieg leitet mich schließlich zum steilen Anstieg hinauf zur Tiefentalalm, die heute einsam in ihrem pittoresken Talkessel daliegt. Dunkle Regenwolken drücken an die Bergflanken, es fängt stark zu regnen an. Ich arbeite mich den gachen Pfad hinauf zum Sattel, der den Übergang zur Tutzinger Hütte markiert, und laufe mit Bedacht den ausgewaschenen Weg zur Alpenvereinshütte hinab.

Das Wetter macht keinen vielversprechenden Eindruck, und so kehre ich erst einmal ein, lasse mir einen Linseneintopf und zwei alkoholfreie Weißbier schmecken und setze mich dreisterweise mit an den Stammtisch, wo sich recht interessante Gespräche rund um den Hüttenkosmos ergeben. So leer wie an diesem Sonntag dürfte die Tutzinger Hütte wohl selten sein. Der Hüttenwirt meint, seit Saisoneröffnung Ende April hätte es erst zwei richtig schöne, sonnige Wochenenden gegeben.

Nach einer Stunde Hüttenaufenthalt ist leider keine Wetterbesserung in Sicht. Egal. Ich bin schließlich wegen einem Projekt hier, das sich auch bei schlechtem Wetter durchziehen lässt. Also nix wie die Regenjacke angezogen, Stöcke ausgefahren und schon laufe ich den Westanstieg Richtung Benewandgipfel hinauf. Zwei Steinböcke sitzen recht gelassen nahe am Weg, weiter oben kommen mir ein paar Bergsteiger mit leicht bedröppeltem Schlechtwetterblick entgegen.

Von der Hütte sind es nur etwa 475 Höhenmeter bis zum Gipfel, und zügig erreiche ich die letzten steileren Wegpassagen und helfe noch ein paar Wanderern bei der Orientierung im Nebel. Rund 30 Kilometer sind gelaufen, leider ist die Sicht am Gipfelkreuz fast Null.

Nach einer kurzen Esspause im windgeschützten Biwakschachterl und einer Lagebesprechung via Handy mit meinem Bruder mache ich mich auf den Weiterweg. Bis hierher war der Weg klar im Kopf einprogrammiert – ab hier gibt es Alternativen.

Nach ein wenig Grübeln entscheide ich mich über Längental, Wackersberg und Tölz wieder nach Hause zu laufen. Damit entscheide ich mich auch für eine Strecke jenseits der 60 km-Marke – soweit bin ich noch nie gelaufen. Doch die Beine sind wieder gut in Form, der Muskelschmerz in den Quadrizepsen hat sich verflüchtigt. (Alternative wäre gewesen, über das Brauneck nach Lenggries zu laufen und ab dort die Öffis zu nehmen – die Verbindungen hatte ich mir bereits minutiös notiert.)

So turne ich jedoch die Seilversicherungen hinab zum Rotohrsattel und jogge runter zur Probstalm. Auf diesem Abschnitt begegne ich einem über 70-jährigen auf dem Weg von Tölz nach Venedig – Hut ab! Schließlich komme ich an der Hinteren Längentalalm, der zweiten „Verpflegungstation“, an. Kaffee, Kuchen, Buttermilch – Kartenpause. Die Strecke zurück nach Tölz muss ich mir erst einprägen, ehe ich das schöne Längental hinauslaufe, zahlreichen Wandersleuten begegne und schließlich von den Bergen wieder ins Isartal ausgespuckt werde.

Nach Untermberg nehme ich einen wunderschönen Wiesenpfad, der durch kleine Weiler und Gehöfte und schließlich die Anhöhe hinaufführt, auf der Wackersberg liegt. Ich leiste mir einen kleinen Patzer, biege etwas zu früh rechts ab und treffe schon bei Bocksleiten auf den Wanderweg direkt an der Isar. Egal, denn der ist auch ganz schön und erinnert an die letzten Teilnahmen am Tölzer Isarlauf. Schließlich kommt die Tölzer Isarbrücke in Sicht und ich lasse es mir nicht nehmen, eine Ehrenrunde durch die Marktstraße zu drehen – nach dieser Strecke ein erhebendes Gefühl.

Über den „Höhenweg“ am Kalvarienberg steuere ich den Isarstausee an und fasse den Entschluss, ab dem Isarkraftwerk direkt an der Isar-Westseite entlang über das Hochlandlager Richtung Heimat zu laufen. Leider ein Fehler, wie sich bald herausstellt. Denn der Weg ist in einem miserablen Zustand, zum Teil arg zugewuchert und schlecht markiert. Ein einziger Hürdenlauf, auf den ich so kurz vor dem Ende keinen Bock habe. Doch siehe da – ganz plötzlich spuckt mich der Weg oben an der Staatsstraße Richtung Königsdorf aus. Für schlappe zwei Kilometer habe ich im Dickicht allerdings mehr als 20 Minuten verbraten….grmpf.

Schließlich lasse ich den Isarwanderweg Isarwanderweg sein, nehme den (günstigerweise bald auftauchenden) Fahrweg hinauf Richtung Rimslrain/Fiecht, schlage einen Haken zurück nach Leitzing und laufe schließlich über Hinterrothenrain zurück nach Königsdorf.

Der Takt ist alles, die behutsame Fußarbeit macht so viel aus! Nicht zuviel zu wollen ist wie immer der Schlüssel zum Läuferglück. Mit meinem 7,5er Pace bin ich am Ende mehr als glücklich, waren doch einige Abschnitte dabei, wo an zügiges Laufen nicht zu denken war. Zudem hatte ich dank kontinuierlichem Futternachschub bis auf das Muskelzwacken keine Durchhänger oder Hungeräste. Erst ganz am Schluß, rund einen Kilometer vor dem „Ziel“, muss ich nochmal innehalten, die letzten Tropfen aus der Trinkblase nuckeln und noch ein paar Cranberries mampfen (perfekte Läufernahrung, übrigens!).

Nach insgesamt 63 Kilometern (das GPS zeigt 60,75 km an, die Empfangsprobleme vor der Sattelalm und nach der Tutzinger Hütte haben mir ca. 2-2,5km unterschlagen) laufe ich überglücklich wieder Zuhause ein. Ein kleiner großer Lauftraum ist heute in Erfüllung gegangen!

Gelaufen mit:

Den GPS-Track gibt es hier: https://connect.garmin.com/modern/activity/810695989

Gedanken zu “Ultramarathon auf die Benediktenwand

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