Soiern Solo
Ein lang gehegtes Laufprojekt im Karwendel wurde heute in die Tat umgesetzt: Die ganze Kette ab Galgenstangenkopf bis zur Gumpenkarspitze am Gratrücken entlang ablaufen, dann Soiernspitze mitnehmen und über die Reißende Lahnspitze und die Schöttelkarspitze zum Soiernhaus. Zurück über das Fischbachtal. Das ganze recht kompakt als Früh- und Vormittagstour.
Rauf auf den Kopf
Die Laufrunde gurkte mir schon lange im Kopf herum. Der Versuch, sie noch zu Zeiten vor meiner „Laufkarriere“ als Bergtour zu bewältigen, endete im Soiernkessel in einem Gewitter. Doch heute habe ich die Zeit und hoffentlich auch das Wetter auf meiner Seite. Jedenfalls glitzern die Sterne am Himmel, als ich um 3 Uhr aufstehe.
Ein Kaffee im Auto fährt den Hirnrechner hoch, und um kurz nach halb fünf treffe ich schon am Ausgangspunkt ein. Kurze Parkplatzsuche, schnell einen Jäger-Jeep geschickt umgangen (wer weiß, was der mir heute früh gehustet hätte), und schon geht es los. Ich bin voll auf Adrenalin.
Zunächst muss ich erstmal 1.000 Höhenmeter hinauf auf den ersten Gipfel. In exakt einer Stunde nach dem Start stehe ich um sechs knapp unterhalb des Galgenstangenkopfs.
Ich lasse ihn der Einfachheit halber rechts liegen, denn heute gibt es noch wichtigere Gipfel abzuhaken. Es ist bereits hell. Beeindruckend, wie die großen Karwendelgipfel langsam aufwachen!
Im Frühtau am Gratrücken
Ich starte gleich durch und laufe den kleinen Pfad am oder knapp unterhalb des Gratrückens entlang. Der Fermerskopf ist ein recht zahmer Mugel, danach wird es etwas sportlicher. Schließlich jogge ich über den steilen aber wunderbar laufbaren Südostrücken auf dem Gipfel der Baierkarspitze ein. Was für ein Laufrausch hier oben, das Ambiente beflügelt!!! Ich stehe und staune…dafür hat sich das frühe Aufstehen gelohnt.
Nun muss ich etwas vom Gas gehen, denn der Weg wird anspruchsvoller. Steil geht es hinab in eine schrofige Einschartung. Ein riesiges Gamsrudel liegt in der Morgensonne – bereits das zweite heute.
Am Gipfel der Dreierspitze wird das Gelände felsiger, man muss kurz die Hände zu Hilfe nehmen. Ich nehme alle Kraft zusammen, um über das Neulahnerkar den Gipfelaufbau des ersten Höhepunktes, der 2.109 Meter hohen Krapfenkarspitze, zu erreichen. Eine kurze 1er-Kletterstelle, und schon bin ich oben. Zeit für eine Pause – es ist jetzt zwanzig vor 7 Uhr.
Leider schaut das Wetter etwas seltsam aus der Wäsche. Wolken haben die Sonne verhüllt. Ich traue dem ganzen nicht recht, ich entschließe mich trotzdem die große Runde vollzumachen und nicht gleich via Soiernhaus abzubrechen. Bin ja nicht zum Spaß hier!
Über Schnee zur Soiernspitze
Also löse ich mich vom „Krapfen“ und turne hinüber zum nächsten Gipfel, der Gumpenkarspitze. Ein Eintrag ins Gipfelbuch, und schon befinde ich mich auf dem Downhill zur knapp 1900 Meter hohen „Jägersruh“, dem Sattel zwischen Soiernkessel und Fermersbachtal.
Der gut ausgetretene Weg zur Soiernhütte wird schnell wieder verlassen, und ich quere etwas mühsam die schrofigen Reißen unterhalb der Soiernspitze hinüber zur Soiernlache, dem normalerweise recht kleinen Tümpel oberhalb der Soiernseen. Heute hat die „Lache“ aber durchaus den Namen „See“ verdient, so voll ist sie mit Schmelzwasser.
Auf dem gut ausgetrampelten Normalweg auf die Soiernspitze geht es schließlich recht steil hinauf zum 2122 Meter hohen Sattel zwischen Soiern- und Reißender Lahnspitze. Ab 2000 Meter gehts über ein recht mühsames Schneefeld, die „Schlüsselstelle“ der Tour. Mit Bergschuhen wäre das Schneefeld nicht der Rede wert, mit Laufschuhen ist es unterhaltsam bis spannend….
Zehn Minuten später sitze ich schon auf dem höchsten Punkt der Runde, der 2257 Meter hohen Soiernspitze. Es ist viertel vor Acht. Gute drei Stunden sind bis hier seit dem Loslaufen vergangen.Ich gönne mir einen Riegel und nuckle mein Flascherl leer.
Rüber zur Schöttlkarspitze und runter
Jetzt folgt eigentlich schon der entspannte Teil der Laufrunde – zumindest rede ich mir das ein. Ich renne wieder hinab zum eben erwähnten Sattel, nehme mit mehr oder weniger kleinen Gegenanstiegen die Reißende Lahnspitze, die Soiernschneid und den Feldernkopf mit (bzw. passiere die Gipfel auf dem schön laufbaren Hauptweg knapp unterhalb) und erreiche schließlich die etwas ausgesetzte Passage am Feldernkreuz. Wider Erwarten liegt in der Querung hinüber zur Schöttelkarspitze gar kein Schnee mehr. Umso besser!
Gute vier Stunden nach dem Start erreiche ich schließlich den letzten Gipfel der Runde, die Schöttelkarspitze. Je nach Zählweise habe ich jetzt 10 Gipfel eingesackt. Und das mit gerade mal 2.300 Höhenmetern!
Es hält mich hier nicht lange, ein zweites Frühstück auf dem Soiernhaus klingt einfach zu verlockend. Also nichts wie hinab über den hübschen Reitsteig. Am Soiernhaus werden dann drei Skiwasser, russischer Zupfkuchen und Kaffee inhaliert. Ich bin bereit für den Homerun!
Weglos zurück
Am Soiernhaus ist Aufbruchsstimmung – ich habe hingegen mein Tagespensum erfüllt. Bis zur Schöttelkarspitze habe ich keinen einzigen Menschen, dafür aber geschätzt 150 Gemsen gesehen. Um kurz nach 9:30 Uhr mache ich mich bereit für den Rückweg zum Ausgangspunkt.
Zunächst geht es den Normalweg hinab zur verfallenen Hundstall-Hütte und von dort direkt ins gleichnamige Tal. Zuerst nutze ich den Fahrweg, breche dann durch steiles Gelände hinab zum Bach und laufe ca. 2 km weglos am rauschenden Bach entlang, ehe rechts die Möglichkeit besteht, über einen Steig den Fahrweg zur Mösl-Alm zu erreichen (ich kenne die Route von einer Tour in entgegengesetzter Richtung).
Leider leiste ich mir einen bösen Verhauer und lande auf einem Wildwechsel, der sich im Steilhang verliert. Bei der Aktion zerstöre ich auch noch einen meiner Stecken. Arrgghh! Ich will doch eigentlich schnell heim, um zu Mittag zu grillen!
Also wieder zurück zum Bach. Eine Biegung weiter wäre der richtige Abzweig gewesen…verdammt! Hauptsache, ich bin auf der richtigen Route, denn die Alternativen sind hier recht übersichtlich.
Die Gegenanstiege zur Möslalm ziehen nochmal ordentlich Energie. Nach insgsamt sieben Stunden (davon knapp 5 1/2 Laufstunden) komme ich um halb zwölf wieder am Auto an. Projekt abgehakt! 🙂
HINWEISE:
- Der Pfad/Steig über den Galgenstangenkamm/joch ist bis zur Baierkarspitze recht einfach, wenn auch nicht markiert
- ab der Baierkarspitze bis zur Gumpenkarspitze ist ein wenig Orientierungssinn und Trittsicherheit gefragt (steiles Schrofengelände, kurze Kletterstellen bis UIAA I)
- die Belaufung der Soiernspitze über den Normalweg von Norden kann durch das Schneefeld bis in den Juli hinein verschwierigt werden – schlauer ist in diesem Fall der Anstieg/Anlauf über den Südostrücken
- die Umlaufung des Soiernkessels ist mit kurzen ausgesetzten Stellen am Feldernkreuz verbunden
- Zeitaufwand für die gesamte Runde im Wandertempo: etwa 12-14 Stunden; hier bietet sich eine Übernachtung im Soiernhaus an
- ACHTUNG: Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass die Route durch das Fischbachtal nur von gut ausgerüsteten Bergsportlern mit gutem Orientierungssinn gewagt werden sollte. Es handelt sich um keinen offiziell markierten Weg!
EINKEHRMÖGKICHKEIT:
GPS-Track auf Strava
Habe die Runde im Juli wiederholt (inkl. Rückweg über das Bachbett). Tolle Runde, danke für den Beitrag!
Hallo Markus, Danke für Deinen Kommentar! Ich war auch erst gestern wieder in der Nähe unterwegs. Eine ganz zauberhafte Gegend!
So bin ich drauf gekommen, hab den Ort auf deinem Instagram-Bild erkannt.
Unverkennbar…. 🙂