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Powder in den Niederen Tauern

Anfang März war Zeit für einen hübschen Kurztrip in die Niederen Tauern. Die Bergwelt im Unter- und Obertal bei Schladming beweist, dass es auch in diesem, in den Nordalpen eher schneearmen Winter echte Tiefschnee-Perlen gibt!

Ich muss mich outen. In der Steiermark war ich noch nie. Auch Schladming übte bis jetzt eine eher marginale Anziehungskraft auf mich aus, brachte ich es doch primär mit dem Pistenskifahren, Apres-Ski, enthemmten Massen bei der Ski-WM und Kunstschnee in Zusammenhang. Für einen friedliebenden Tourengeher also eher die Antithese zur Bergeinsamkeit. Ein Blick aus dem Zugfenster des Eurocity von München nach Graz beweist dann auch, dass die salzburgischen und steiermärkischen Pistenmogule voll auf die Kanone setzen. Eine bizarr anmutende, Eischnee-weiße Kunstschneepiste schleckt kurz vor Radstadt fast bis ans Eisenbahngleis, auf der erstaunliche viele Leute herumkratzen. Verrückte Winterwelt!

Neben unserer auf rund 1000 Metern Seehöhe gelegenen Selbstversorgerhütte im Untertal liegt wenigstens noch ein bisserl natürlicher Schnee, dem Schatten im tief eingeschnittenen Tal sei Dank. Die Hütte gehört den Inhabern des Abelhofs in Schladming-Rohrmoos und kann im Voraus gebucht werden. Eine urige Angelegenheit ist das hier, mit allen Annehmlichkeiten einer „echten“ Hütte (Holzofen, knarzender Boden, gemütliche Betten mit dicken Daunendecken) und dazu geradezu verschwenderisch anmutendem Komfort. Sogar eine (warme) Dusche gibt es!

TAG 1: Nebel

Das Wetter will noch nicht so recht mitspielen, und am nächsten Morgen sitzen wir in der dicksten Suppe, die der Wettergott anzurühren im Stande ist. Was tun? Kathi macht es sich erst einmal in der Hütte bequem, Felix, Ronja und ich wagen den Spontan-Aufbruch. Es ist Sonntag, und so soll es auf den Sonntagkarzinken (2243m) gehen. Passt doch hervorragend, oder?

Wir folgen wenige Meter der durchgefrorenen Langlauf-Loipe Richtung Gfölleralm, ehe wir die Bachseite wechseln können. Laut Apemap gibt es hier eine Fahrstraße, die langsam ansteigend den Hang quert, um dann später direkt auf die Hauptaufstiegsroute Richtung Seekarsee und Zinken zu stoßen. Ein Schild warnt jedoch: Sackgasse! Kein Wanderweg! Als (Ex-)Pfadfinder und Kartenmensch vertraue ich jedoch meinem Instinkt und dem Strich auf dem Papier – und der ist eindeutig und ohne jeden Zweifel durchgehend. Ein fataler Irrtum, wie sich bald zeigt. Nach einer knappen halben Stunde gemächlichen Steigens hört der Fahrweg abrupt im Steilhang auf. Wir müssen einen etwas nervigen Umweg durch den steilen, schneearmen Hangwald über uns ergehen lassen und fangen nochmal fast ganz unten bei der Sondlalm an. Sackerl Zement! Das kommt davon!

Ein wenig genervt steigen wir den zunächst sehr flachen richtigen Ziehweg den Hang hinauf. Kurz scheint es so, als ob es aufklaren wollte, wenig später ist der Nebel aber wieder unglaublich dicht. Man kann ihn fast mit dem Messer zerschneiden. Nach einer kurzen Brotzeit in einem bequemen Jägerstand verlassen wir schließlich das Ziehweg-System und folgen einer Aufstiegsspur, die sich im weiteren Verlauf in zahlreichen Spitzkehren eine steile Rinne hinaufschlängelt. Auf einer 1900 Meter hohen Anhöhe über dem Seekarsee können wir sogar kurz unser Tagesziel erspähen. Eine Vierergruppe fährt in diesem Moment mit lautem Juchhee an uns vorbei ab. Es ist noch reichlich Tiefschnee für alle da!

In der Suppe

Richtung Gipfel verschwinden wir schließlich wieder in der Suppe, am Gipfel selbst fängt es zu schneien an. Auch gemütliches und absichtlich in die Länge gezogenes Umbauen hilft nix – wir müssen auch runterzu wieder durch das weiße Nichts. Der Schnee ist wenigstens deutlich besser als die Sicht, und bald flechten wir freudestrahlend unsere Zöpferl in den Powder. Mehr oder weniger. Denn Kuppen und Rinnen sind nur schwer auszumachen, und so ist es eher ein instinktives als ein strategisches Fahren. Eine Querung leitet uns nach schönen Pulverhängen Richtung Herzmaiergraben, wenig später schieben wir uns durch schweren Nassschnee den Ziehung hinab ins Tal. Das Finale besteht aus Skating-Übungen mit dem wieder geteilten Splitboard auf der Loipe zurück Richtung Waldhäuslalm. Trotz Verhauer und wechselnden Schnee- und Sichtverhältnissen hat’s eine Mordsgaudi gemacht!

TAG 2: Eine Tour wie ein Traum

Am nächsten Tag verschlägt es uns ins benachbarte Obertal, genauer gesagt nach Hopfriesen auf 1062 Metern Seehöhe. Einsam ist es hier hinten. Kein Auto, kein Mensch. Nur die verlassene Holdalm, die auf die nächsten Sommergäste wartet. Ein genau ausklamüsertes Ziel haben wir heute nicht. Es kommen ja oft die besten Touren dabei raus, wenn man mal einfach drauflos stiefelt. Also rauf Richtung Giglachalmsee und dann weitersehen!

Was uns nun erwartet, kann nur als Traumtour bezeichnet werden. Zunächst geht es noch etwas mühsam einen schmalen Karrenweg mit wenig Schnee empor Richtung Lackneralm (wir hoffen insgeheim, hier nicht wieder abfahren zu müssen), dann öffnet sich jedoch erstmals das Tal und gibt einen wildromantischen Bergblick Richtung Knappenkreuz frei. Wider Erwarten treffen wir nach einer schmalen Bachbrücke auf einen neu angelegten Fahrweg, der auf Apemap nicht verzeichnet war. Wir nehmen ihn mit Handkuss, scheint er doch eine deutlich angenehmere Abfahrtsmöglichkeit zu bieten als das, was wir gerade hinter uns haben. In angenehmen Kehren gewinnen wir an Höhe, der Schnee wird besser und besser. Wir kommen schließlich am rund 1740 Meter hohen Knappenkreuz vorbei, einer kleinen Kuppe rechts des Wegs, die eine Art Übergang in flacheres Almgelände markiert.

Pulver

Die letzte Nacht hat anscheinend einiges an Pulver abgeladen – zumindest ab ungefähr 1500 Metern Höhe. Wir durchwandern eine tiefverschneite Traumlandschaft und wissen nicht recht, wie uns geschieht. Unten hätten wir das nie erwartet! Außerdem machen wir uns langsam Gedanken, welchen Gipfel wir in Angriff nehmen sollen. Eher nach rechts zu den einladenden Hängen zwischen Schiedeck (2339m) und Kampspitze (2390m)? Oder doch eher nach links Richtung Murspitzen (2333m)?

Etwas unentschlossen und verzaubert gehen wir durch die winterliche Traumlandschaft und kommen schließlich bei einer Ansammlung von Hütten auf ca. 1840 Metern an. In der Ferne liegt der Giglachalmsee friedlich da, rechts oben ist die Ignaz-Mattis-Hütte zu sehen. Stärkerer Wind kommt auf. Nach wie vor ist bis auf alte, verblasene Skitourenspuren kein Anzeichen menschlicher Anwesenheit zu erkennen. Wir entscheiden uns recht spontan, es linkerhand zu probieren und die völlig unverspurten Hänge im Nordwestkar an der Giglachalmspitze (2352m) in Angriff zu nehmen. Zunächst geht es recht sanft durch kupiertes Gelände Richtung 2000 Meter-Marke, dann wird es am Eingang zum unteren Karbecken langsam steiler. Nach einer ersten Steilstufe machen wir Pause. Nordwesthang, eingeblasen, Lawinen-Risikogebiet. Heute ist allerdings nur ein 1er mit Tendenz zum 2er angesagt, und der Hang überschreitet  – wenn überhaupt – nur knapp die 35 Grad-Marke. Ich nehme mir ein Herz und nehme das letzte Steilstück, das ins Joch zwischen Giglachalmspitze und Murspitze leitet, in Angriff. Öff, ist das steil hier. Der Schnee macht jedoch keine Anstalten, uns einen Strich durch die Rechnung zu machen, und so stehen wir wenig später an unserem einsamen Skidepot.

Das letzte Gratstück hinauf zum Gipfel schaut zu verblasen aus, um es auch noch mit einer Spur zu verzieren, und so gehen wir zu Fuß hinauf. Eine tolle Rundumsicht hier oben, auch wenn man kaum einen Berg in der Umgebung kennt. Immerhin haben wir mit dem Sonntagkarzinken den gestrigen Berg im Blick, mit dem Hochgolling (2862m) zeigt sich auch der Höchste der Niederen Tauern und der mächtige Dachstein (2995m) im Norden ist natürlich auch nicht zu übersehen.

Obi geht’s!

Nachdem wir uns vorsichtig wieder zu Splitboard und Ski hinuntergetastet haben, folgt der angenehme Teil der Unternehmung. Die Abfahrt ist, mit einem Wort,  traumhaft. Ein ums andere Mal bleiben wir stehen, um Fotos zu machen und die Stimmung zu genießen. Die oberen Hänge im Kar sind eine echte Wucht, später queren wir wiederum durch kupiertes Gelände zum Knappenkreuz. Zwischendrin kommt man sich vor wie in einem Computerspiel bei dem es gilt, den geschicktesten Weg durch verschneite Latschen, kleine Tälchen und über abrupt auftauchende Rampen und Kanten zu finden. Schließlich landen wir über einen steilen Minihang wieder auf der Aufstiegsspur und lassen es uns auf dem komfortablen und ausreichend tief verschneiten Fahrweg so richtig gut gehen. Ab 1400 Meter Höhe wird es leider ein wenig bruchharschig, gegen Ende ziehen wir tiefe Furchen hinter uns her. Immerhin: auch die letzten Schneeflecken werden ausgenutzt, und wenig später stehen wir freudestrahlend wieder unten am Ausgangspunkt.

Angaben zum Sonntagkarzinken:

Datum: 02.03.2014; Ausgangspunkt: Waldhäuslalm (1032m) im Untertal; Gipfel: Sonntagkarzinken (2243m); Höhenmeter: mit Verhauer 1350, sonst 1211; Übernachtungsmöglichkeit: (nur im Tal:) Selbstversorgerhütte neben der Waldhäuslalm, zahlreiche Pensionen im unteren Untertal und in Rohrmoos; Aufstiegszeit: 2 1/2h-3h; Verhältnisse während der Tour: Bodenfrost, Nassschnee ab Tal, Nullgradgrenze auf ungefähr 1300 Metern, keine Hänge über 30 Grad, Lawinenwarnstufe 2; Einkehr: Waldhäuslalm

Angaben zur Giglachalmspitze:

Datum: 03.03.2014; Ausgangspunkt: Hopfriesen (1062m) im Obertal; Gipfel: Giglachalmspitze (2352m); Höhenmeter: 1290; Übernachtungsmöglichkeit: Im Winter nur im Tal, im Sommer auf der Ignaz-Mattis-Hütte; Aufstiegszeit: 2 3/4h-3 1/4h; Verhältnisse während der Tour: Teilweise ausgeaperter Ziehweg ab Holdalm, durchgehend Schnee ab ca. 1300m, Nullgradgrenze auf ca. 1400 Metern, Hangneigung bis 35 Grad; Lawinenwarnstufe 1-2; Einkehr: Im Winter keine, im Sommer Holdalm und Ignaz-Mattis-Hütte. Weitere Infos über das Obertal und seine Annehmlichkeiten unter unserobertal.at!

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