Piz Queder und Munt Pers – der Trailrun-Aussichtsbalkon in der Bernina
Die Bernina ist berühmt für ihre Gletscherberge. An der östlichen Peripherie gibt es jedoch auch erstklassiges Trailrunning-Terrain – und zwei aussichtsreiche Dreitausender, die sich perfekt in einer Aktion abhaken lassen.
Camping Morteratsch, halb fünf Uhr morgens. Ich knipse die Stirnlampe an und werfe mich in’s nächste Trailrunning-Abenteuer dieses Urlaubs. Nach der Belaufung des Monte Vioz vor einer Woche will ich heute zwei weitere Ostalpen-Dreitausender belaufen – Piz Queder (3066 Meter) und Munt Pers (3207 Meter). Beide sind Bernina-Experten sicherlich ein Begriff, liegen sie doch in greifbarer Reichweite der Diavolezza-Bergstation und eignen sich daher perfekt als kleine Akklimatisationshügel. Ich verzichte natürlich auf Bergbahn und starte zudem noch direkt vom Campingplatz aus, wodurch sich eine mehr als 24 Kilometer lange Strecke mit rund 1500 Höhenmetern ergibt.
In der Dunkelheit laufe ich mit Stirnlampe entlang der Ova da Morteratsch vor bis zum Wanderparkplatz, glaube kurz, ich hätte mich verlaufen, erwische aber doch die richtige Abzweigung hinauf in den Wald in Richtung Bernina Suot und Berninapass. Viele Kehren entlang eines rauschenden Baches bringen mich hinauf auf über 2000 Meter Seehöhe, Wurzeln und kleinere Auf- und Abs machen den Pfad zu einem echten Schmankerl. Dann ändert sich die Szenerie, der Wald tritt zurück und gibt den Blick auf den in der Dämmerung harrenden Piz Lagalb und andere Berge frei.
In der Ebene vor Bernina Suot wird es schließlich hell, und ich kann die Stirnlampe ausknipsen. Ich befürchte erneut, dass ich die richtige Abzweigung hinauf zur Diavolezza verpasst habe, zögere, stoße jedoch etwa 200 Meter nach der Bahnhaltestelle Bernina Suot auf die gut ausgeschilderte Abzweigung. Wie konnte ich es nur wagen anzunehmen, die exakten Schweizer hätten eine Abzweigung nicht korrekt ausgeschildert! Ein wunderschöner, leicht zugewucherter Pfad leitet mich schließlich entlang eines Baches hinauf in den Bergwald – nicht gerade viele Bergsportler scheinen diesen Weg hinauf zur Diavolezza zu nehmen. Um diese Uhrzeit genieße ich die Einsamkeit des „Auflaufs“ Kehre für Kehre…
Eine längere Querung leitet mich hinüber zur schon von weitem sichtbaren Trasse der Gondelbahn auf die Diavolezza, und bis zum 2575 Meter hoch gelegenen Lej da Diavolezza folge ich einem eher weniger hübschen, aber verschmerzbaren Lift-Ziehweg, der durch seine knackige Steigung für eine schnelle Höhenmetervernichtung sorgt. Ab dem Diavolezza-See wird es wieder wunderschön, der Pfad führt entlang eines Gratrückens hinauf in das gestufte Gelände unterhalb der Ostabbrüche des Piz Queder. Ein kurzer Abstieg führt hinüber zu einem steilen Firnfeld, das wiederum in eine längere Treppenpassage mündet. Abwechslung und Laufspaß pur!
Am oberen Ende angekommen, kann ich einen ersten Blick auf die 2978 Meter hoch gelegene Bergstation der Diavolezza erhaschen, die sich bereits in greifbarer Nähe befindet. Eine weitere Querung leitet mich zum kläglichen Gletscherest unterhalb der Diavolezza – oder besser gesagt zu den abgedeckten Schneehäufen, die die Seilbahner der Sonne abzuringen versuchen.
Die letzten Meter hinauf zur Bergstation eines Sessellifts sind der Knackpunkt der ganzen Laufrunde, hier muss ich kurz auf Gehtempo schalten. An der Bergstation des Sessellifts habe ich die 3000 Meter-Marke bereits hinter mir, und so entscheide ich mich für einen kurzen Abstecher auf den Gipfel des Piz Queder. Als ich oben ankomme, ist die Sonne eben aufgegangen und taucht die Bergwelt in ein zauberhaftes Licht…
Nun geht es hinüber zur (noch) verschlafenen Diavolezza und schließlich auf den (größtenteils) ausgelatschten und einfach zu laufenden Pfad auf den Munt Pers. Drei warm eingepackte Bergsteiger kommen mir entgegen und meinen, ich hätte den Sonnenaufgang verpasst – was für eine bahnbrechende Erkenntnis! 😉
Die letzten Serpentinen auf den komfortablen Gipfel bringen die Lunge nochmal in Schwung, und um exakt 6:30 Uhr und damit 2h 10min nach dem Aufbruch am Camping Morteratsch stehe ich oben auf dem Munt Pers und betrachte das großartige Panorama mit Piz Cambrena, Piz Palü, Bellavista, Piz Zupò und Argient, Bernina, Piz Morteratsch und und und….
Nach 20 Minuten schauen, staunen und Brotzeit ziehe ich die Schnürsenkel nach und jogge wieder hinab zur Diavolezza, wo inzwischen immerhin zwei Leute (!) auf der Terasse sitzen. Dann geht es den kurzen Gegenanstieg zum Sessellift hinauf und schließlich runter in’s Tal, vorbei an pfeifenden Murmeltieren, glänzenden Bergseen und duftenden Blumenwiesen. Ein Berglaufkollege kommt freundlich grüßend entgegen, und kurz nach acht Uhr bin ich bereits wieder unten an der Trasse der Berninabahn angekommen. Auf den letzten Kilometern zurück zum Camping begegnet mir trotz des traumhaften Wetters kein Mensch – bis auf die mager besetzte Berninabahn Richtung Tirano, deren Trasse der Pfad quert. Mit frischen Croissants vom Camping-Supermarkt bin ich um halb neun nach guten vier Stunden frühmorgendlichen Bergabenteuers zurück an unserem Zeltplatz.
Technische Daten:
- Ausgangspunkt: Camping Morteratsch (ca. 1870 Meter)
- Gipfel: Piz Queder (3066 Meter), Munt Pers (3207 Meter)
- Gesamthöhenmeter: ca. 1500
- Zeiten (ca.): Camping Morteratsch – Piz Queder: 1h 40min; Piz Queder – Munt Pers: 30 min; Munt Pers-Camping Morteratsch: 1h 20min
- Einkehrmöglichkeit: Diavolezza
GPS-Track: https://connect.garmin.com/modern/activity/836178082
Hinweis zum Track: Meine Garmin Fenix 3 hat mir leider ein paar Höhenmeter unterschlagen, zudem ist die Trackaufzeichnung fehlerhaft. Der Höhenmesser hängt sich an der höchsten erreichten Höhe auf, die ebenfalls fehlerhaft angezeigt wird. Zudem ist die Autostop-Funktion völlig unbrauchbar, was das Ermitteln der Nettozeiten schwierig macht. Eine schwache Leistung für das aktuelle Topprodukt, Garmin! Ich hoffe sehr, dass die Bugs mit dem Update auf Firmware-Version 3.80 beseitigt wurden, denn sogar ältere Versionen funktionierten/harmonierten schon besser..
Gelaufen mit:
Respekt für den Trailrun! Auf alle Fälle aber eine sehr schöne Gebirgsecke, die Bernina.
Danke! Ja, ein sehr ergiebiges Eck. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei!