Biberdorf
Der Europäische Biber (Castor fiber) gehörte – seitdem ich denken kann – nicht zum gewohnten Anblick rund um mein Heimatdorf. Letztes Jahr beobachtete ich jedoch, wie immer mehr kleinere Bäume im Moor die charakteristischen Nagespuren aufwiesen. Der Biber ist wieder da!
Im Moor war im Frühjahr 2013 etwas im Gange. Bei einem ausgedehnten Spaziergang mit Ausflug ins dichte Unterholz (was man als naturentwöhnter Großstädter halt so macht) entdeckte ich zahlreiche kleinere Bäumchen und Büsche, deren Äste wie die Spitzen von Buntmalstiften ab- und angenagt waren. Zunächst wähnte ich ein paar Lausbuben mit scharfen Taschenmessern am Werk, als sich die „Abnagungen“ jedoch häuften, hegte ich langsam einen Verdacht.
Ein Biber war offensichtlich eifrig bei der Arbeit. Wo er jedoch seinen Damm anlegte, war zunächst nicht ganz klar. Als ich zu Weihnachten wieder einmal in meinem Elternhaus weilte und eine Standard-Laufrunde durch den Wald drehte, fiel mir auf, dass der Wasserspiegel des Mühlbachs eklatant gestiegen war und bereits an der Unterkante des Moorstegs leckte – normalerweise ist hier ein guter Meter Luft!
Vorgestern nahm ich mir schließlich vor, dem Geheimnis des aufgestauten Bachs auf die Schliche zu kommen. Da muss doch der Biber dahinterstecken, dachte ich mir, und stiefelte im frischen Schnee vom Steg aus bachabwärts. Immer wieder stieß ich auf kleinere abgenagte Bäume und Äste, der Bach wurde immer mehr zum See und verlangsamte zusehends seine Fließgeschwindigkeit. Ein paar Bachschlaufen weiter konnte man schließlich den Bibersee erkennen, also den ambossförmigen Weiher, den der Biber in monatelanger Arbeit mit seinem Damm aufgestaut hat, um den Eingang zu seinem Bau unter Wasser zu setzen.
Geht das „Projekt Biber“ auf Dauer gut?
Der Damm selbst ist gut eineinhalb Meter hoch und staut den Bach auf etwa 400 Metern Länge, setzt einen kleinen Pfad am Westufer und den Rand des anschließenden Moorwalds unter Wasser. Ganze Arbeit, Biber! Der Mühlbach muss sich nun recht mühsam einen anderen Weg am Damm vorbei (und durch den Damm hindurch) suchen und befeuchtet Teile der angrenzenden großen Streuwiese.
Ob sich der Biber dauerhaft einnistet, bleibt abzuwarten. Wie kaum ein anderes Wildtier in der Dorfumgebung hat er binnen eines Jahres der Natur seinen Stempel aufgedrückt und ein Stückchen Bachlandschaft massiv verändert. Er wagt sich inzwischen bachaufwärts an gewaltige Bäume mit einem Durchmesser von mehr als einem halben Meter heran – das wird nicht alle Grundbesitzer begeistern! Die großen Bäume nagt er augenscheinlich nur aus „Spaß an der Freude“ an – die riesigen Stämme könnte er niemals aus eigener Kraft abtransportieren. Beeindruckend…und mutig!
Angeblich hat sich einer der grundbesitzenden Bauern bereits beschwert, dass seine Futterwiese vom Biber unter Wasser gesetzt wird. Für einen Laien wie mich ist jedoch nicht ersichtlich, wo genau ein Schaden entstanden sein soll, denn der Biber setzt weitestgehend ungenutztes Brachland unter Wasser. Am Damm selbst wurde sogar eine Futtertonne an einem professionell aufgestellten Dreibaum angebracht – offensichtlich gibt es Leute und/oder Institutionen, die dem Biber das Dasein erleichtern wollen. Dabei kann ich mir nicht vorstellen, dass der etwa 25kg schwere und einen Meter messende Vegetarier nicht ausreichend Futter findet!?
Ein Stück Wildnis (-Romantik)
Ich persönlich finde es bemerkenswert und schön, dass sich in der unmittelbaren Umgebung meines Heimatdorfs wieder ein Biber angesiedelt hat. Ein Stück über lange Zeit verloren geglaubte Wildnis ist zurückgekommen, war der Biber doch über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinweg in weiten Teilen Mitteleuropas ausgerottet.
Es wäre schade, wenn sich die Menschen nicht dauerhaft mit dem Wildtier arrangieren könnten und ich wünsche dem Biber, dass er die Zähne zusammenbeißt und sich in der Umgebung nicht zu viele Feinde macht!