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Bergtouren

Auf den Wilden Freiger

Der Wilde Freiger (3.418 m) ist einer der facettenreichsten 3000er in den Stubaiern Alpen in Tirol. Gletscher, Seen, Grate, mehr als vier Anstiegsmöglichkeiten – wir haben uns letztes Wochenende eine überaus schönes Set aus dem Freiger-Baukasten zusammengestellt.

Wilder Freiger, die dritte! War ich das erste Mal 1995 mit meiner Schwester und meinem Schwager von der Müllerhütte aus oben und habe die Tour das zweite Mal 2000 mit einem Alpenvereinskollegen von der Nürnberger Hütte aus gemacht, geht es heute wieder einmal mit meinem Cousin Martin und Gunther in’s Hochgebirge. Wir wollen den Freiger vom Stubaital aus angehen und an einem kleinen See oberhalb des Grünausees biwaken.

Los geht’s an der Ruetz

Parkplatz vor der Grawa-Alm, ca. 1.500 Meter Seehöhe. Um viertel nach elf Uhr ist alles gepackt, und wir wuchten unsere recht beeindruckenden Rucksäcke auf den Rücken. Eine Holzbrücke leitet uns über die Ruetz, danach geht es den WildeWasserWeg Richtung Grawa-Wasserfall hinauf. Erstaunlich, was hier heute los ist – und es wird bis zur Sulzenauhütte auch nicht weniger. Wanderer reiht sich an Wanderer, besonders viele Italiener sind unterwegs. Auf ein „Servus!“ folgt ein „Salve!“, irgendwann sind wir des Grüßens fast schon überdrüssig. An der Aussichtsplattform am Wasserfall genießen zahlreiche Erholungssuchende den Blick auf die beeindruckenden Wassermassen und lassen sich von der Gischt besprenkeln…

Wir halten jedoch nur kurz inne und nehmen nach dem Wasserfall scharf links den neu angelegten Weg hinauf Richtung Sulzenauhütte. Die Art und Weise, wie der aus zahlreichen Brettern und Bohlen durch den steilen Bergwald führende Weg angelegt wurde, gibt mir zu denken. Nachhaltig ist etwas anderes – die zum Teil recht filigran wirkenden „Bauteile“ müssen sicher oft ausgetauscht werden, zudem ist der Untergrund zum Teil von den vielen Wanderern schon übelst in Mitleidenschaft gezogen worden…Berg-Vermarktung und Umweltschutz sind zwei nahezu unvereinbare Größen. Doch ich will ja nichts sagen – denn auch wir profitieren heute von diesem Weg-Ungetüm.

Im Zickzack geht’s bergauf, wir schwitzen uns ordentlich einen ab und sind direkt froh, als wir auf den „alten“ Hüttenanstieg ausgespuckt werden, der uns hinauf in den wunderschönen Kessel der Sulzenaualm führt. An einem weiteren beeindruckenden Wasserfall vorbei zirkeln wir die unzähligen Kehren hinauf zur Sulzenauhütte (2191 m), wo wir uns nach den ersten knapp 700 Höhenmetern kurz vor 14 Uhr ein feines Mittagessen schmecken lassen und die Sonne genießen.

Aufstieg zum Biwakplatz

Nach kurzer Zeit zieht es uns jedoch weiter, und wir wandern entlang des Stubaier Höhenwegs hinüber Richtung Grünausee. Die Mägen haben ordentlich zu arbeiten, und so wird dieser Abschnitt eher zum Fresskoma-Spaziergang….

Vorbei am grünblau schimmernden Grünausee und zahlreichen Schafen steuern wird ein Gebiet mit kleineren Seen und Tümpeln an, wo wir auf ca. 2500 Meter Höhe ein nettes Plätzchen auf einem Hügel ausfindig machen, das Zelt aufstellen und eineinhalb Stunden in der Sonne vor uns hindösen.

Gegen 18 Uhr ringen wir uns zu einer kleinen Feierabendtour auf die Mairspitze (2775 Meter) durch, dem Hausberg der Nürnberger Hütte. Wellige Wiesenhänge und Schrofen querend erreichen wir ein weiteres Seengebiet, schließlich geht es in Kehren und über seilversicherte Schrofen hinauf zum Gipfel, der einen schönen Rundumblick mit Inntal-Tiefblick, Feuersteinen, Freiger, Zuckerhütl und Ruderhofspitze bietet. Leider befinden sich die meisten höheren Gipfel in Wolken…trotzdem genießen wir den Rundumblick in vollen Zügen und können uns nur aufgrund des wachsenden Hungers vom Ausblick trennen.

Hochtour ohne Seilbenutzung

Zurück beim Zelt gibt’s eine feine Abendmahlzeit (Reis&Gemüse) samt Nachspeise, wenig später verkriechen wir uns im Zelt bzw. in den Biwaksäcken. Die sternenklare Nacht wird durchbrochen von starken Windböen, die uns hin und wieder wachrütteln, trotzdem kommt jeder auf ein ausreichendes Pensum Schlaf. Als um fünf Uhr der Wecker klingelt, sind wir schnell wieder auf den Beinen – denn noch liegen rund 1.000 recht abwechslungsreiche Höhenmeter vor uns.

Nach Kaffee (Espresso aus der Espressomaschine!), Müsli und Kuchen geht es um viertel nach sechs auch schon los. Um den markierten Weg auf die Seescharte zu erreichen, müssen wir zunächst recht mühsam eine halbe Stunde lang einen steilen Blockhang queren – immerhin sparen wir uns dadurch mehr als 100 Höhenmeter. Dann geht es den kleinen, unscheinbaren Pfad hinauf Richtung Scharte. Unterwegs erspähen wir einen schönen Biwakplatz nach dem anderen, allerdings allesamt ohne „Wasseranschluss“. Vom kleinen Ferner kurz unterhalb der Scharte sind nur klägliche (Toteis)Reste geblieben, und schon nach einer Stunde stehen wir oben in der Seescharte auf 2762 Metern und lassen uns vom aufkommenden Nebel umwabern.

Durch Wolken zum Gipfel

Der Weg, der von der Nürnberger Hütte kommt, ist jedoch mehr als gut markiert. Trotz dichtem Nebel geht es daher zügig hinauf zum kleinen Selen-See und zur Abzweigung zum Gamsspitzl. Und siehe da – blauer Himmel! Hin und wieder reisst es auf und unsere Motivation steigt. Wir sind uns sicher, dass es mit dem Gipfel des Wilden Freiger heute klappen wird.

Über einen weiteren Gletscherrest erreichen wir einen felsdursetzten Steilhang, der uns hinauf zum Punkt 3.127m leitet. Das erste Mal erblicken wir andere Bergsteiger, die sich im Aufstieg Richtung Grüblferner und Signalgipfel befinden. Sie scheinen unentschlossen, denn oben Richtung Signalgipfel verschwinden alle Konturen in dichten Wolken.

Nach einer kleinen Stärkung kraxeln wir unbeirrt weiter hinauf. Zwei entgegenkommende Bergsteiger, die am Becherhaus aufgebrochen sind, berichten von einem problemlosen Anstieg, ein entgegenkommendes Pärchen hat jedoch angesichts des Nebels umgedreht. Schließlich betreten wir auf ca. 3.220 Metern den obersten Teil des Grüblferners. Seil, Gurt und Steigeisen lassen wir heute im Rucksack. Die Aufstiegsspur befindet sich sehr nah am Westrand des Gletschers, die Spaltengefahr ist gering, eine dünne Neuschneedecke hat die Oberfläche recht griffig gemacht.

Wir überholen im dichten Nebel eine größere Jugendgruppe aus Neustift und verlassen auf gut 3300 Metern den Gletscher wieder, um über harmloses Gehgelände und ein verfallenes Zollhüttchen den Gipfelgrat des Freiger knapp westlich des Signalgipfels (3392 Meter) zu betreten. Harmlose Kraxelei mit dem ein- oder anderen Tiefblick zum Übeltalferner auf der Südtiroler Seite leitet uns zum 3418 Meter hohen Hauptgipfel, wo wir um 9:15 Uhr, exakt 3 Stunden nach dem Aufbruch am Biwak, ankommen. Jippie, geschafft!

2000 Meter Abstieg

Nach zwanzig Minuten Wolkenlücken abwarten und Brotzeit inhalieren überlassen wir den Gipfel des Wilden Freiger wieder sich selbst. Der Blick nach Süden auf das Becherhaus blieb uns leider verwehrt, auch der Blick auf den höchsten Stubaier Gipfel, das Zuckerhütl, und den benachbarten Wilden Pfaff bleiben uns verwehrt.

Auf dem Normalweg von der Nürnberger Hütte ist jetzt etwas mehr los, ein paar Bergsteiger erkundigen sich nach den Bedingungen, wir können Entwarnung geben. Trotzdem kommen uns einige entgegen, denen wir angesichts des Wetterberichts (am Nachmittag soll es gewittern) am liebsten zur Umkehr raten würden. Doch darf man das allein wegen eines „unfitten“ Aussehens und einer späten Aufbruchzeit?

Die ein- oder andere Rutschpartie über Firnfelder beschleunigt unsere „Abfahrt“, und gegen 12 Uhr mittags treffen wir wieder am Basislager ein. Ein kurzer Snack, ein paar Fotos, Zelt abbauen – und schon geht es runter zur Sulzenauhütte, wo erneut Schnitzel, Spaghetti, Bier und g’spritzter Holler auf hungrige und durstige Mäuler warten. Es fällt uns fast schon schwer, das Hochgebirge wieder hinter uns zu lassen….die Faszination Zentralalpen-Dreitausender hat einen schnell gepackt!

Aber es hilft alles nix – wir müssen wieder runter ins Stubaital. Zur Feier des Tages nehmen wird den kleineren Steig, der näher an den großen Wasserfall unterhalb der Sulzenauhütte heranführt, lassen uns von der Gischt benetzen und steuern wieder den Talgrund des Stubaitals an. Wenigstens ist auf dem Holzbohlen-Weg (der mich an einen Westcoast-Trail erinnert) hinab zur Grawa-Alm weniger los als am Tag zuvor, und es macht direkt Spaß, die unzähligen Stufen hinabzutänzeln. Um 16:30 Uhr geht eine schöne, anstrengende und inspirierende Hochtour zu Ende.

Infos zum Wilden Freiger (3.418m)

  • Lage: Stubaier Alpen, Tirol, Österreich
  • Ausgangspunkt: Grawa-Alm, Stubaital
  • Benachbarte Touren: Stubaier Höhenweg, Zuckerhütl, Habicht u.v.m.
  • Karte: AV-Karte Hochstubai (bei bergzeit.de)
  • Gehzeit: Grawa-Alm-Sulzenauhütte: 2,5 h; Sulzenauhütte-Gipfel: 4h
  • Im Bergzeit Magazin findet sich ein spannender Bericht über eine Solo-Besteigung des Wilden Freiger über die italienische Südseite.

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