Demeljoch, Dürrnbergjoch
Das Demeljoch ist für mich der vielseitigste und faszinierendste Berg im Isarwinkel. Unzählige Male war ich bereits oben, im Sommer, im Winter, von Norden, Süden, Osten und Westen. Der ganze Berg ist so abwechslungsreich wie seine Anstiege!
Die Bayerische Oberlandbahn (BOB) ist für radlfreudige und umweltbewusste Münchner das Tor zum östlichen Karwendel und Vorkarwendel – und damit auch zum Demeljoch. Mit dem BOB-MVV-Ticket für 19 Euro und einer Fahrradkarte für 5 Euro ist man bereits dabei und kann nach Herzenslust das gesamte BOB-Netz und den MVV-Innenraum einen Tag lang unsicher machen. Einziges Manko: Unter der Woche erst ab 9 Uhr. Also gemütlich frühstücken, ab Richtung Harras und in die BOB und bei adäquatem Lesestoff gemütlich nach Lenggries tuckern – erst recht heute, wo sich München eine dicke Nebelmütze aufgesetzt hat und sich Bergfreunde sehnsüchtig von Webcam zu Webcam klicken….
Die Bergsachen gut in der Ortlieb verstaut, geht es mit dem Rad vom Lenggrieser Bahnhof flink über Fleck auf den Radweg Richtung Sylvenstein. Exakt in Lenggries ist heute die Nebelgrenze, und immer mehr blaue Lücken tun sich auf. Am Anstieg zum Sylvenstein erste Anzeichen des Winters, Eis auf dem Radweg, wässrige Eispanzer an der brösligen Felswand zur Linken. Hinter dem Tunnel überraschte Bauarbeiter, die am Sylvensteindamm werkeln. Einen Radfahrer haben sie Anfang Dezember hier wohl nicht erwartet.
Rauf zur Sonne
Nun geht es kurz Richtung österreichische Grenze an der Kaiserwacht. Bald habe ich jedoch die Abzweigung des Hühnerberg-Anstiegs auf das Demeljoch erreicht, rolle kurz hinab Richtung Walchenklamm und verstecke das Rad im Gebüsch. Seit dem letzten Besuch im August wurde die vom Hochwasser übel zugerichtete Brücke (oder besser gesagt die zu ihr führenden Böschungen) über die Walchenklamm wieder etwas hergerichtet und eine neue Metalltreppe eingebaut.
Siehe da – der Anstieg Richtung Hühnerberg ist heute tatsächlich gespurt! Hätte ich nicht erwartet. Im Januar haben ich mir hier mit meinen Geschwistern mühsam hinaufgewühlt. Heute geht’s hingegen ganz leicht. Danke, Vorgänger! Raufzu lasse ich ordentlich Saft aus den Beinen und habe nach nicht mal einer Stunde die Quelle in der Nähe des ehemaligen Hühnerberg-Niederlegers und damit auch die Sonnenstrahlen erreicht. Es ist oft sooo unfair. In der Stadt alles grau, hier oben weiß man gar nicht wohin mit dem Sonnenglück. Bald befinde ich mich auf dem Weg Richtung Hühnerberg-Hochleger. So oft man auch hier oben war – es ist immer wieder eine Schau.
Majestätisch thront der Hauptgipfel des Demeljochs über dem Hühnerbachtal. Ein wilder, verwunschener, abgelegener Bergwinkel, der doch so nah am touristisierten Lenggries liegt. Meine Gedanken schweifen immer wieder zur verfallenen Alm, die sich weit hinten im Tal befindet, weit weg vom Motor-Trubel auf der Deutschen Alpenstraße, dem einzigen Störfaktor in diesem Bergidyll. Welche Geschichten sich wohl hier hinten zugetragen haben, welche Dramen, welche Menschen hier gelebt haben?
Jäh werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Das Schürpfeneck kommt in Sicht, mit seinen 1623 Metern ein erstes Ausrufezeichen. Ab Walchenklamm hat man hier immerhin schon fast 900 Höhenmeter hinter sich. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass ich mich sputen muss, um noch Richtung Demeljoch zu kommen. Die Sonne senkt sich bereits, doch ich bin guten Mutes, dass ich – der vorhandenen Spur sei Dank – noch auf den Hauptgipfel komme.
Umkehr am Dürrenbergjoch
Nach dem Schürpfeneck senkt sich der Weg kurz zu einem Sattel, folgt dem Bergrücken nach Süden und wendet sich dann kurz nach Westen ins Latschendickicht. Ich nehme die Abkürzung und folge einer kurzen Reißn steil hinauf durch etwa 50cm tiefen Neuschnee. Schneeschuhe habe ich keine dabei, und so wird es direkt ein bisserl anstrengend!
Siehe da – meinen Vorgänger haben wohl die Kräfte verlassen oder die Zeit ist ihm davongerannt. Seine Spur endet ungefähr 80 Höhenmeter unterhalb des Dürrnbergjoch-Gipfels und damit noch vor dem „Westgipfel“ des gesamten Demeljoch-Stocks. Ich bin jedoch (noch) gut drauf und wühle mich hinauf, mit zum Teil wunderschönen Blicken in die Demeljoch-Nordflanke. Ein Blick auf die Uhr macht jedoch auch mir klar, dass ich heute nicht bis zum Hauptgipfel kommen werde. Es geht schon auf drei Uhr zu und ich habe keine Stirnlampe dabei. So belasse ich es heute beim Gipfel des 1835 Meter hohen Dürrnbergjochs, genieße die traumhafte Sicht und stapfe alsbald wieder zurück Richtung Hühnerberg. Eine atemberaubende Stimmung stellt sich ein, die herannahenden Hochnebelfelder schieben sich wie überdimensionierte Schlagsahne über die Vorberge Richtung Isartal. Ich atme mehrmals tief ein und mache mich auf den Weg zurück in den Nebel….
(Tour durchgeführt Anfang Dezember 2013)