Karwendelmarsch 2013: Mehr Leid als Freud
Ende August 2013. Der Karwendelmarsch steht wieder einmal vor der Tür! Für mich ist es das dritte Mal, dass ich an dem 52 Kilometer langen Lauf von Scharnitz bis nach Pertisau am Achensee teilnehme. Die Strecke ist unverändert, auch diesmal müssen rund 2300 Höhenmeter bewältigt werden. Wie auch in den letzten Jahren ist das Rennen für mich der Wettkampf-Saisonhöhepunkt.
Prolog
Meine Laufkarriere ist noch nicht besonders lang. Erst 2011 habe ich angefangen, mehr als ein bis zwei Wettbewerbe pro Jahr zu bestreiten. Als begeisterter Bergsteiger und Radfahrer (mit MTB-Rennerfahrung) habe ich jedoch schon einiges auf dem Kerbholz. Eine 1:24:53h-Zeit beim Münchner Stadtlauf 2011 (ein Halbmarathon) machte mir darüber hinaus Mut, beim Karwendelmarsch gleich bei der ersten Teilnahme ein wenig auf die Tube zu drücken. So kam ich beim Karwendelmarsch 2011 (mein erstes Rennen länger als ein Halbmarathon, die Marathondistanz habe ich „übersprungen“) auf eine Zielzeit von 5:23:30h und erreichte den 25. Platz, 2012 ging es sich schließlich mit einer Zeit von 5:15:03 und dem 15. Platz in der Gesamtwertung aus.
Vor dem Rennen
Dass ich diese “Aufstiegsserie” dieses Jahr fortsetzen kann und mich auf Platz fünf wiederfinde, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Ich müsste eine Zeit von unter fünf Stunden erreichen, zudem ist das Spitzenfeld dieses Jahr sehr gut besetzt. Zum Streckenrekordhalter Thomas Bosnjak (Zielzeit 2011: 4:23:50h !!!) kommt der letztjährige Gewinner Markus Reich und der deutsche 24h-Meister Florian Reus, um nur einige Spitzenläufer zu nennen.
Trotzdem hoffe ich, dass ich dieses Jahr erneut acht Minuten gut machen kann und bei einer Zeit zwischen 5h und 5:10h lande. Möglichst nahe an den zehnten Platz herankommen ist das Ziel! Bei der Ausrüstung verlasse ich mich auf eine Mischung aus bewährtem und neuem Material. Ich werde mit dem Brooks Cascadia laufen, einem sehr komfortablen Langstreckenschuh, der mir speziell auf der Teerstrecke Richtung Pertisau am Ende des Rennens den nötigen Komfort liefern soll. Dazu werden das erste Mal Black Diamond Ultraleicht-Stöcke aus Karbon zum Einsatz kommen. Mit nicht mal 300 Gramm Gewicht sind sie so schwer wie eine Tüte Gummibärchen. Ich bin gespannt, ob sie mir speziell auf den Steilpassagen zur Falkenhütte und zum Binssattel einen Vorteil verschaffen. Mein Garmin Forerunner 610 wird mich ebenfalls begleiten. Bis auf meine Arcteryx-Laufklamotten und Asics- Kompressionssocken habe ich keine andere Kleidung dabei – vom Patagonia Houdini-Jacket einmal abgsehen. Schließlich wurde es bei den beiden letzten Karwendelmärschen auf den Jöchern recht frostig. Die Labestationen beim Karwendelmarsch sind top ausgestattet – also werde ich lediglich drei Powergel und einen Liter zu trinken in der Trinkblase mitführen.
Ich bin sowas von bereit. Der Karwendelmarsch kann kommen!
Das Rennen
Der Wecker klingelt um 3:30 Uhr. Schnell anziehen und Kaffee aufsetzen, um kurz nach vier Uhr sitze ich etwas zu früh im Auto auf dem Weg nach Scharnitz. Ich komme bereits vor fünf Uhr an, parke am Wanderparkplatz vor dem Ortseingang und mache erst einmal langsam. Zu früh ankommen ist auch nicht unbedingt gut. Der Adrenalinspiegel sinkt unnötig… Schließlich packe ich jedoch meine sieben Sachen, gehe über die Porta Claudia Richtung Start und hole mir die Startnummer. Eines ist heute klar: Es herrscht deutlich besseres Wetter als in den letzten beiden Jahren!
Der Startschuss fällt um Punkt sechs Uhr und der Pulk setzt sich träge in Bewegung. Bis zur Abzweigung des Karwendeltals überhole ich einen nach dem anderen, schließlich sehe ich Markus Reich und hänge mich ein wenig an ihn und seinen Laufkameraden dran. Das Tempo ist ambitioniert, jedoch nicht zu schnell. Zügig laufen wir das Karwendeltal hinter, genießen die Stimmung und beobachten, wie es Tag wird. Tobias Frühholz aus Gaißach ist heute auch mit von der Partie, später tu’ ich mich mit einem netten Salzburger zusammen, als es die Kehren hinauf Richtung Karwendelhaus geht.
Halbmarathon zum Karwendelhaus
Mit dem 1803 Meter hohen Hochalmsattel ist der erste Höhepunkt des Rennens bald erreicht. Hier haben wir mit 19 Kilometern schon mehr als ein Drittel des Rennens und fast einen Halbmarathon hinter uns – und das in sportlichen 1h 30min trotz 900 Höhenmetern. So kann es weiter gehen!
Hinab zum kleinen Ahornboden fühlen sich die Beine noch recht gut an. Dann beginnt jedoch eine Tortur, die ich so nicht erwartet habe. Ich fühle mich schwach und unwohl, die Beine wollen nicht recht. Schon vor den steilen Rampen hinauf zur Falkenhütte muss ich gehen, der Magen verkrampft sich. Was ist denn bitte jetzt los? An der Hütte muss ich mich schließlich entkräftet ins Gras setzen. Ein Läufer nach dem anderen zieht an mir vorbei. Meine Motivation ist weg. War’s das, nach nur 30 Kilometern Laufstrecke? Nach ein wenig Hin- und Herüberlegen versuche ich, die Strecke Richtung Engalmen wenigstens langsam laufend unter die Sohlen zu nehmen. Keine Chance. Leider wollen die Beine heute wohl gar nicht mehr. Ich wende mich nach links und lege mich erstmal mit Blick auf die Lalidererwand flach hin. Shit!
Übermotiviert
Was war passiert? Ein klarer Fall von Übermotivation beim Training, würde ich im Nachhinein sagen. Nachdem ich dieses Mal nicht nach Plan sondern eher nach Guerilla-Taktik trainiert habe, bekomme ich nun die Rechnung. Bei aller Lauffreude war ich nur sechs Tage vor dem Karwendelmarsch-Start im Training einen recht zügigen Marathon mit um die 3:30h und einem sehr welligen Profil gelaufen. Das hat sich nun gerächt. Dazu noch ein etwas chaotisches Frühstück – die Speicher waren einfach noch nicht wieder ganz aufgefüllt. Zudem hat mir das gute Wetter zu schaffen gemacht. Ich bin bei langen Wettkämpfen definitiv ein Fan von regnerischen Intermezzi und kühlen Temperaturen. Worüber die Veranstalter heute gejubelt haben, fand ich nicht unbedingt förderlich….
Jetzt liege ich demotiviert auf dem kühlen Karwendel-Schotter und überlege, was am besten zu tun ist. Das Laliderertal hinausgehen und dann trampen oder doch lieber in die Eng zum “Zwischenziel” bei Kilometer 35 hatschen? Ich entschließe mich für letzteres und folge der Wettkampfstrecke. Ernüchternd, sich von einem Läufer nach dem anderen überholen lassen zu müssen. Aber das gehört eben auch zu Wettkämpfen. Dass es mal nicht so optimal läuft.
An den Engalmen bekomme ich noch das obligatorische Finisherpaket mit zahlreichen mehr oder weniger nützlichen Dingen, trinke zwei Apfelschorle und warte auf den Transfer-Bus zurück nach Scharnitz. Und warte. Und warte. Viel zu spät – um viertel vor drei – setzt sich das Teil endlich in Bewegung. Nach vier Stunden warten! Ich bin ein wenig entnervt, denn allzu komfortabel gestaltet sich die Warterei nicht. Zudem ist man nach einem Rennabruch nicht allzu tolerant.
Dieses Jahr hat mir der Karwendelmarsch die Zähne gezeigt. Kommt davon, wenn man ihn auf die leichte Schulter nimmt. Auch ein “nur” 52 Kilometer langer Ultra ist eben nicht zu unterschätzen!
Weitere Infos zur Veranstaltung unter: karwendelmarsch.info