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Hintere Schwärze mit Biwak

Die Hintere Schwärze (3628m) zählt zu den attraktivsten Bergen in den Ötztaler Alpen. Deutlich seltener begangen als der benachbarte Similaun, hält sie alles bereit, was mächtige ostalpine Dreitausender ausmacht: (noch) große Gletscher, weite Blicke und das Gefühl, auf einem der höchsten Berge Österreichs zu stehen. 

Der Aufstieg beginnt in Vent (1895m), dem Bergsteigerdorf im hintersten Ötztal. Aus Praxisgründen sind wir bei dieser Tour nicht mit dem Mountainbike unterwegs, da die Rucksäcke mit kompletter Biwak- und Gletscherausrüstung dem Rücken einiges abverlangen. Ein Parkplatz am Ortseingang ist schnell gefunden, und bald hatschen wir den Fahrweg entlang des Skilifts hinauf Richtung Hohler Stein, wo bereits steinzeitliche Jäger und Hirten lagerten. Wie damals wohl die Nordwand des Similaun und andere hohe Gipfel der Ötztaler Alpen ausgesehen haben? Heute ist der Blick auf die einst durchgehende Firnwand ernüchternd. Wo einst Schnee und Eis glänzte, zeigen sich große, graue und grauweiße Lücken.

Der Fahrweg führt uns an einer alten Jagdhütte vorbei zur Martin-Busch-Hütte (2501m), einem stolzen Bergsteigerdomizil mit einer Unmenge an Dreitausendern in der Umgebung. Die Hütte dient als Ausgangspunkt zum Similaun, der als Standard-Dreitausender der Umgebung gelten darf. Daneben kann man von hier auch zur Mutmalspitze, zur Kreuzspitze, zum Schalfkogel und, unter einigen anderen, zur Hinteren Schwärze starten.

Der Berg ist der einzige, der mir unter den richtig hohen österreichischen Bergen jenseits der 3600 Meter-Marke noch fehlt – vom Hinteren Brochkogel einmal abgesehen. Ich habe einiges gelesen über die Hintere Schwärze, die von Norden recht breit, von Westen aber wie ein schmaler, ausgesetzter Zacken erscheint. Grundtenor: Sie gilt als nicht ganz so einfach wie ihre Nachbarn – in erster Linie aufgrund des spaltenreichen Marzellferners. Die technischen Schwierigkeiten halten sich beim Aufstieg hingegen in Grenzen.

Biwak auf dem Marzellkamm

Wir lassen die Martin-Busch-Hütte heute rechts liegen, überqueren den Niederjochbach und stiefeln hinauf auf den Marzellkamm. Der alte Weg Richtung Marzellferner ist aufgrund des massiven Gletscherrückgangs nicht mehr begehbar. Stattdessen muss man nun bis auf rund 2.800 Meter aufsteigen um dann, mit einem Höhenverlust von 150-200 Höhenmetern, den einst so zerklüfteten Gletscher zu erreichen. Denn schon jetzt ist zu erkennen: Spalten sind zwar noch reichlich vorhanden, so zerklüftet wie vor 18 Jahren, als ich mich das erste Mal zum Similaun aufmachte, ist er jedoch schon lange nicht mehr.

Bei der Abzweigung des Wegs zum Marzellferner vom Hauptweg Richtung Similaun finden wir ideales, flaches Biwakgelände. Bald haben wir uns eine ebene Fläche zwischen einigen großen Felsbrocken für Iso und Schlafsack präpariert. Nachdem wir uns an der Aussicht satt gesehen haben, kochen wir uns ein umfangreiches Abendmahl, machen noch einige Bilder des aufgehenden Mondes und legen uns dann schlafen. Die Nacht ist sternenklar und windstill.

Spaltengefahr am Marzellferner?

Am nächsten Morgen hält es uns nicht besonders lange im Schlafsack – ein strahlender Tag beginnt! Nach Kaffee und Kuchen zum Frühstück geht es erst einmal hinab Richtung Marzellferner. Man merkt, wie instabil die unteren Hänge des Marzellkammes durch das Zurückweichen des Ferners werden. Weiter unten zeigen sich überall kleine Risse und Hangrutsche, richtig geheuer ist einem das Gelände nicht. Weit, immer weiter geht es hinunter, ehe wir auf unter 2700 Meter endlich den völlig mit Schutt beladenen Gletscher betreten.

Von dem einst sich so bedrohlich aufbäumenden Bruch unterhalb der Mutmalspitze ist nur wenig übrig geblieben. Der Gletscher ist in sich zusammengefallen. Immerhin ist er noch so groß, dass man ordentlich Respekt bekommt. Auch hier ist ganz sicher nicht zu spaßen, man sollte auf Seil und professionelle Ausrüstung nicht verzichten! Ehe wir uns anseilen, geht es jedoch fast 300 Höhenmeter seilfrei über den ausgeaperten Gletscher entlang einer Mittelmoräne hinauf. Der Gletscher ist unter all dem Schutt kaum als Gletscher zu erkennen. Unterhalb der Marzellspitze flacht es ein wenig ab und es zeigen sich erste Firnflecken, die sich bald zu einer geschlossenen Fläche vereinigen. Wir seilen uns an.

Steil hinauf zum Gipfel der Hinteren Schwärze

Zunächst führt uns die vorhandene Spur fast eben an die Gletscherrampe Richtung Gipfel heran, bald kommt eine erste große, weit ausholende Kehre. Beeindruckende Dimensionen sind das hier hinten, erst recht, wenn man nicht jedes Wochenende in den vergletscherten Hochalpen unterwegs sein kann. Die Spur wird steiler und steiler, führt an einzelnen Spalten und kleineren Eisrutschen vorbei in ein kleines Becken, welches wir schließlich über eine steile Rampe nach links verlassen und die Randkluft des Gletschers überschreiten. Ein Gratrücken führt uns auf 3500 Meter Höhe, wir können einen beeindruckenden Tiefblick in die (noch mit Eis bedeckte) Nordwand der Hinteren Schwärze erhaschen.

Nun kommt der für mich beeindruckendste Schlüsselteil der Tour, denn unser bis jetzt recht zahmer Gratrücken verwandelt sich in einen ausapernden Steilhang. Lockeres Geröll liegt auf steilem Eis und Firn und wir müssen zusehen, dass wir die Schritte mit Bedacht setzen. Ein Ausrutscher würde eine recht umfangreiche Rutschpartie nach sich ziehen. Zum Glück erreichen wir bald sicheren Fels und kraxeln die letzten Meter hinauf zum fast ebenen letzten Gratabschnitt vor dem spitzen Gipfel. Einige Minuten später stehen wir oben, auf der Hinteren Schwärze. Ganz alleine, bei Kaiserwetter. Alle hohen Ötztaler gruppieren sich um uns herum, auch die Texelgruppe und die Dolomiten sind schön zu sehen.

Abstieg in die Wärme

Nach einer ausgiebigen Pause zieht es uns wieder in die Tiefe – schließlich haben wir noch ein ganzes Stückchen Heimfahrt vor uns. Der schwierige Abschnitt oberhalb des Gratrückens will mit Bedacht begangen werden, zum Glück rutscht keiner auch nur einen Meter aus. Weiter unten wird es schließlich richtig warm. Unglaublich, wie sehr der Gletscher hier auch Anfang September noch Wasser lassen muss. Klimaerwärmung live ist das hier…bei strahlendem Wetter.

Der Gegenanstieg zum Biwakplatz saugt uns nochmal ein paar Körnerchen aus den Haxn, nach dem Packen stapfen wir ordentlich beladen wieder hinab zur Martin-Busch-Hütte. Hier gibt es eine ordentliche Stärkung in Form von Apfelstrudel und ähnlichen Köstlichkeiten. Zum Glück haben wir nun nur noch den Fahrweg hinab nach Vent vor uns, den es sich hervorragend hinabschlendern lässt. Viel zu schnell ist die Hintere Schwärze schon wieder Vergangenheit. Ein Berg, der vollsten Respekt verdient hat – auch wenn die Spaltenlage auf dem Gletscher bei weitem nicht so schlimm war, wie wir befürchtet hatten.

Angaben zur Hinteren Schwärze in den Ötztaler Alpen:

  • Ort: Ötztaler Alpen/Tirol/Österreich
  • Ausgangspunkt: Vent (1895m)
  • Gipfel: Hintere Schwärze (3628m)
  • Höhenmeter gesamt: mit Zwischenabstieg zum Gletscher ca. 1.900
  • Übernachtungsmöglichkeit: Martin-Busch-Hütte
  • Aufstiegszeit ab Vent: 5 1/2h-6 1/2h
  • Verhältnisse/Schwierigkeiten: Gletscher aper bis 3000 Meter; Gletscher- und Geröllrampe bis ca. 30 Grad; am Gipfelaufbau leichter Blockgrat mit max. UIAA I
  • Einkehr: Martin-Busch-Hütte oder in Vent
  • Karte: AV-Karte  Ötztaler Alpen/Gurgl 30/1
  • Benachbarte Touren: Similaun, Mutmalspitze, Hohe Wilde, Schalfkogel u.v.m.

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